Sonntag, 21. August 2011
Die Traumzeit ist lange schon vorbei...
...und die Realität - oder, das was der Mensch darunter versteht - hat voll zugeschlagen. Und das, nachdem sich also ein CDU-Politiker kleine Fluchten mit einer 16-jährigen Nymphe gewährt hatte. Dass er dabei, als der Ältere, auch die Rolle des Satyrs inne hatte, darüber werden beide wohl kaum nachgedacht haben.
Was also inzwischen schon als "unnatürlich" und "unnormal" diskutiert wird - ganz junge Frau und sehr viel älterer Mann - ist ein uraltes Thema. Diese Diskussion kann auch nur darum entstehen, weil wir gerne vergessen, dass wir selber es sind, welche die Normen schaffen, nach denen gelebt werden soll. Und, es soll so gelebt werden, wie wir es mit den geschaffenen Regeln und Normen vorgeben, damit das Gelebte akzeptabel ist - für jene, welche diese Normen und Regeln erschaffen.
Nein, ich will keine Lanze brechen für diesen Politiker, denn auch mir hätten sich mindestens die Fussnägel aufgerollt, wenn meine Tochter mit einer derartigen Geschichte angekommen wäre. Aber, es gibt im Leben viele Gründe, warum sich Müttern - Eltern - die Fussnägel aufrollen können, ein älterer Mann ist nur einer davon. Festzuhalten gilt aber, dass es auch da die Wünsche der Eltern, der Mütter, für ihre Töchter sind, die dieses abwehrende Gefühl hervorrufen.
Das war früher einmal anders. Da war es sogar eher üblich, dass junge Frauen einen älteren Mann heirateten. Gleichaltrig, oder gar jünger - wie schrecklich und welche unreife Verbindung ! - Es reichte doch schon, dass ein Teil solcher Ehe jung und unreif war - einer musste doch Vernunft einbringen ! - Und diese Rolle war dem Mann zugedacht - er war das Oberhaupt der Familie, usw. Rudimentäre Überreste dieser Denkweise halten sich allerdings bis heute hartnäckig, sogar bei den Behörden, trotz allen Geschreis um die Gleichberechtigung.
Warum diese Geschichte des Politikers trotzdem irgendwie schmutzig erscheint, hat andere Gründe, als jene der eigentlichen Beziehung. Wir leben nicht mehr in Zeiten der Mythologien - der Quellnymphen und Hirtengötter - der Traumzeiten. Schade, oder? Einerseits... - andererseits überläßt es die gelebte Kultur heute überwiegend den Menschen selber, wie sie sich in ihren Liebesbeziehungen entscheiden.
Allmählich veränderte sich in der Vergangenheit der Umgang mit Beziehung und Ehe, und aus Quellnymphe und Satir wurden "fast noch ein Kind" und "alter Bock".
Zugerichtet auf die Karriere in einer wieder überbetonten und hervorgekehrten Show um eine christliche Leitkultur, bei der sich fast jeder denkende Mensch fragt, wo und was dieselbe sein soll,- hat der besagte Politiker den Satyr rasch wieder abgestreift, und das vermeintlich Richtige getan, um seine Karriere zu retten. Das aber gelang nun nicht, egal ob es eine Intrige war, die ihn letztendlich auffliegen liess und zu Fall brachte, oder nicht. Und genau das.- dass er das vermeintlich Richtige tun wollte,- macht diese Geschichte nun so dreckig.
Dieses zugerichtete Sein auf das Karriereziel hin verträgt sich nicht mit achronistischen Geschichten. Es ist das leichtfertige Geplänkel mit einer jungen Frau, die noch ein Mädchen ist, und hinterher weggeworfen wird wie ein benutzter Wischlappen, welches das Ganze so übel aufstossen läßt bei den Menschen, die sich darüber ereifern. Gegeben hat es das zu allen Zeiten, auch als Missbrauch, - auch als Inzest,- in allen Varianten. Und, auch als Ehe zwischen älterem Mann und junger Frau.
Heute wird nicht mehr so schnell geheiratet, zumeist. Sex wird auch als Liebe bezeichnet - "Liebe machen". Vieles wird so bezeichnet, was eigentlich keine Liebe ist. Darum ist der Begriff der Liebe heute so verkommen, dass man fast zusammenzuckt, wenn dieses Wort benutzt wird, um etwas zu bezeichnen und zu beschreiben, was jemand für Liebe hält. Oder, wenn Jemand will, dass gewisse Vorgänge dafür gehalten werden.
Wir haben keine Zeit mehr für Traumzeiten und Mythologien, für die Langsamkeit des Heranwachsens und Reifens - sei es bei einem Menschen, der Natur, sich selber, den Beziehungen, den Gefühlen, dem Sein in der Welt. Und, immer schon wollte der Mensch die Überraschungen dabei in den Griff bekommen, und erfand Regeln, wie mit allem umzugehen sei. Immer schon gab es auch Menschen, die diese Vorgaben durchbrachen.
Wir sollten uns nicht schlimmer gebärden, als die heilige Inquisition, die schon furchtbar genug war. Bis heute waren wir sehr gründlich darin, alles dafür zu tun, auch die rudimentärsten Verbundenheitsspuren mit einer eigenwilligen Verstehensweise der Geschichten aus der Vergangenheit auszulöschen. Noch gründlicher waren wir im Vernichten der Zeit, der Langsamkeit.
Aus dem Leben haben wir einen schmutzigen Krieg gemacht - den Lebenskampf um Karriere und Geld. Wir machen dabei darauf los, wie im richtigen Krieg auch - und hinterlassen "Kollateralschäden". Darüber nachzudenken, was das für unser Leben bedeutet, das wollen wir lieber nicht.
Auch Jochen Hoff von Duckhome hat sich noch einmal mit diesem Thema befasst:
http://www.duckhome.de/tb/archives/9436-Legalitaet-und-Moral-des-Christian-Ulrik-von-Boetticher.html?utm_source=feedburner&utm_medium=feed&utm_campaign=Feed%3A+Duckhome+%28Duckhome%29
Welt online hat einige junge Mädchen zum Thema befragt:
http://www.welt.de/vermischtes/article13556009/Sex-mit-einem-40-Jaehrigen-Das-ist-absurd.html
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